Blauer Faden, grüne Vision

Interview mit Alberto Candiani, Geschäftsführer der Candiani Denim S.p.A.

Wirtschaftsforum: Herr Candiani, wie hat sich Ihr Unternehmen von seinen Anfängen bis heute entwickelt?

Alberto Candiani: Candiani wurde 1938 von meinem Urgroßvater Luigi Candiani in Robecchetto gegründet und stellte zunächst Stoffe für Arbeitskleidung her. In den 1960er-Jahren erkannte mein Großvater Primo Candiani das Marktpotenzial und baute eine größere, vertikal integrierte Fabrik am Ortsrand mit Weberei, Filatur, Färberei und Veredelung. In den 1970er-Jahren begann er, inspiriert von seiner Leidenschaft für Indigofärbung, mit der Denim-Produktion. Dieses Segment wurde rasch zum Hauptgeschäft. Heute sind wir führend in nachhaltiger Denim-Produktion und exportieren 90% unserer Ware vor allem in die USA, nach Deutschland und andere europäische Länder.

Wirtschaftsforum: Nachhaltigkeit spielt für Candiani eine große Rolle. Wie beeinflusst das Ihre Produktion und Ihre Unternehmenskultur?

Alberto Candiani: Seit der Gründung des Parco del Ticino in den 1970er-Jahren müssen wir strenge Umweltauflagen erfüllen. Das hat uns dazu gebracht, frühzeitig auf Effizienz und Ressourcenschonung zu setzen. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Schlagwort, sondern Teil unserer DNA. Wir entwickeln ständig innovative Technologien, um umweltschonender zu produzieren. Ein Beispiel dafür ist unser Bio-Stretch-Denim ‘Coreva’, bei dem Naturkautschuk anstelle von synthetischen Fasern verwendet wird. Diese Technologie macht den Stoff vollständig biologisch abbaubar und recycelbar. Unser Ziel ist es, den ökologischen Fußabdruck unserer gesamten Produktionskette kontinuierlich zu minimieren und dabei höchste Qualität zu gewährleisten. Darüber hinaus pflegen wir eine enge Verbindung zu unserem Standort – viele unserer Mitarbeiter sind seit Generationen Teil der Candiani-Familie.

Wirtschaftsforum: Wie wirkt sich die aktuelle globale Krise auf Ihr Unternehmen aus?

Alberto Candiani: Die Energiekrise 2022 war eine der größten Herausforderungen unserer Geschichte. Unsere Energiekosten verfünffachten sich kurzfristig. Für ein Unternehmen wie unseres, das auf stabile Betriebskosten angewiesen ist, war das ein massiver Einschnitt. Strom- und Gasrechnungen stiegen auf 31% des Umsatzes, zuvor waren es nur 6 bis 7%. Dank unserer soliden Finanzstruktur, Innovationskraft und nachhaltigen Ausrichtung konnten wir dennoch bestehen. Heute sind wir stabil aufgestellt und blicken optimistisch in die Zukunft, trotz anhaltender geopolitischer Unsicherheiten.

Wirtschaftsforum: Welche Märkte sind für Candiani besonders wichtig und wie sehen Sie die internationale Entwicklung?

Alberto Candiani: Der US-Markt ist für uns von zentraler Bedeutung und macht mehr als 30% unseres Umsatzes aus. Deutschland folgt mit etwa 10%, wobei der Marktanteil in den letzten Jahren leicht gesunken ist. Auch Skandinavien, der Beneluxraum und Frankreich sind wichtige Absatzmärkte für uns. In Italien selbst bleibt unser Marktanteil mit 10% vergleichsweise klein, obwohl das Made in Italy-Label weltweit ein starkes Argument ist. Wir arbeiten kontinuierlich daran, neue Märkte zu erschließen, beispielsweise im Fernen Osten. Unsere Strategie besteht darin, langfristige Beziehungen zu unseren Kunden aufzubauen und unsere Position als Premium-Anbieter für nachhaltigen Denim weiter auszubauen.

Wirtschaftsforum: Welche Visionen haben Sie für die kommenden Jahre?

Alberto Candiani: Stabilität und kontinuierliche Weiterentwicklung sind unsere Hauptziele. In den letzten Jahren haben wir viele Krisen gemeistert – von der Pandemie über die Energiekrise bis hin zu geopolitischen Spannungen. Unsere Vision ist es, ein stabiles, innovatives Unternehmen zu bleiben, das auf nachhaltige Technologien setzt. Dazu gehören Projekte wie regenerative Landwirtschaft für Baumwolle und biologisch abbaubare Materialien. Wir möchten den Anteil unserer nachhaltigen Produkte weiter erhöhen und neue Technologien entwickeln, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Wenn sich die geopolitische Lage stabilisiert, sehen wir 2025 als ein Jahr des Wachstums und der Chancen.

Wirtschaftsforum: Was motiviert Sie persönlich, Tag für Tag Ihr Unternehmen voranzutreiben?

Alberto Candiani: Meine Leidenschaft für Denim und die Geschichte unserer Familie sind meine größten Antriebe. Es erfüllt mich mit Stolz, Teil eines Unternehmens zu sein, das über vier Generationen hinweg Bestand hat und kontinuierlich Innovationen hervorbringt. Besonders begeistert mich die Herausforderung, neue, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und ein Produkt zu schaffen, das weltweit Anerkennung findet. Der Gedanke, dass unser Denim in Millionen von Jeans auf der ganzen Welt getragen wird, gibt mir jeden Tag neue Energie und motiviert mich, weiterhin einen positiven Beitrag zur Modeindustrie und zur Umwelt zu leisten.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Textilien

Arbeitskleidung schafft Zugehörigkeit

Interview mit Kai-Michael Gminder, Geschäftsführer der Gustav Daiber GmbH

Arbeitskleidung schafft Zugehörigkeit

Arbeitskleidung spielt im modernen Unternehmen eine zentrale Rolle. Sie erfüllt nicht nur funktionale Anforderungen, sondern trägt auch maßgeblich zur Identität und zum Wohlbefinden der Mitarbeiter bei. Sie stärkt das Zugehörigkeitsgefühl,…

Von Motorradfahrern für Motorradfahrer

Interview mit Tom Grymonprez, CEO der Richa NV

Von Motorradfahrern für Motorradfahrer

Seit mehr als sieben Jahrzehnten pflegt Familie Rigaux ihre Leidenschaft für Motorradbekleidung. Heute sind die hochwertigen Produkte der Richa NV weltweit in 50 Ländern gefragt. Doch nicht nur private Motorradenthousiasten…

Qualität, Tradition und Fortschritt in der Textilindustrie

Interview mit Paul Schuschan, Geschäftsführer der Zwickauer Kammgarn GmbH

Qualität, Tradition und Fortschritt in der Textilindustrie

Die Zwickauer Kammgarn GmbH ist die letzte in Deutschland produzierende Kammgarnspinnerei und bekannt für ihre spezialisierten Garnlösungen, die weltweit im oberen Marktsegment gefragt sind. Paul Schuschan, Geschäftsführer seit 2024, spricht…

Spannendes aus der Region Robecchetto con Induno (MI)

Konkurrenzlos. Gut. Organisiert.

Valentina Pogliani, Leiterin Human Resources/ Divison Consumable der Sae Scientifica Srl

Konkurrenzlos. Gut. Organisiert.

Wer sich auf das Wesentliche konzentriert, kann effektiver arbeiten. Die Sae Scientifica Srl aus Mazzo di Rho, Italien, übernimmt deshalb für pharmazeutische Unternehmen die Beschaffung von Materialien für Labor und…

Innovative Schmiedetechnik für höchste Ansprüche

Interview mit Giuseppe Pons, Head of Sales und Pietro Solarino, Technical Sales Manager sowie Susanna Ripamonti, Marketing Managerin der MasperoTech S.r.l.

Innovative Schmiedetechnik für höchste Ansprüche

Die Metallverarbeitung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Während traditionelle Verfahren weiterhin gefragt sind, setzen moderne Unternehmen zunehmend auf technologische Innovationen und nachhaltige Prozesse. MasperoTech S.r.l., mit Sitz…

Nachhaltige Energie für alle

Interview mit Giampaolo Pavone, Geschäftsführer der Energy Drive S.r.l.

Nachhaltige Energie für alle

Die Energiebranche befindet sich im Wandel: Steigende Energiekosten und das wachsende Bewusstsein für nachhaltige Technologien prägen den Markt. Inmitten dieser Dynamik agiert die italienische Energy Drive S.r.l. als Vorreiter. Unter…

Das könnte Sie auch interessieren

Das Garn macht den Stoff

Interview mit Bernd Schäfer, Geschäftsführer der bäumlin & ernst ag

Das Garn macht den Stoff

1920 gegründet, blickt die bäumlin & ernst ag (beag) auf fast 125 Jahre Firmengeschichte zurück. Waren es anfangs Baumwollzwirne für die in der Region St. Gallen typische Bestickung von Tüllstoffen,…

Weil grün funktioniert

Interview mit Thomas Syring, Geschäftsführer der Fristads GmbH

Weil grün funktioniert

Die Anforderungen an moderne Arbeitskleidung sind hoch. Sie soll Unfallrisiken bei der Arbeit minimieren, robust, bequem, langlebig und optisch ansprechend sein. Ist Workwear zudem nach der Umweltproduktdeklaration EPD zertifiziert, ist…

Wenn der Schuh passt: Erfolg im Lizenzgeschäft

Interview mit David Friedrich, CSO und Moritz Hamm, CEO der Hamm Footwear GmbH

Wenn der Schuh passt: Erfolg im Lizenzgeschäft

Die Lizenzierung einer Modemarke im Bereich Accessoires kann das Markenimage erheblich stärken und die Marktpräsenz erweitern. Im Interview mit Wirtschaftsforum erläutern Moritz Hamm, CEO, und David Friedrich, CSO der Hamm…

TOP
OSZAR »